Vor welchen Herausforderungen steht derzeit die französische Demokratie, vor welchen die deutsche? Welche Formen der Bürgerbeteiligung gibt es dies- und jenseits der Grenze und wie erfolgreich sind sie? Was können wir voneinander lernen? Ein neues deutsch-französisches Projekt ermöglicht hierzu einen intensiven Austausch zwischen Fachkräften aus den europäischen Partnerregionen Okzitanien und Sachsen.

Vom 19.-23. Juni besuchte uns eine Gruppe engagierter Mitarbeiter:innen aus zivilgesellschaftlichen und staatlichen Institutionen aus Okzitanien (die französische Partnerregion Sachsens), um sich mit deutschen Kolleg:innen zum Thema Bürgerbeteiligung auszutauschen. Ein besonderer Schwerpunkt lag dabei auf den Besonderheiten des ländlichen Raums. Das Programm umfasste viele Gespräche, Workshops und Treffen mit Akteur:innen vor Ort – in Sebnitz, Dresden und Pirna.

Begegnung mit Akteuren der Bürgerbeteiligung in Sebnitz

 Die Aktion Zivilcourage e. V. empfing die Gruppe in ihrem Sebnitzer Büro, um ihr lokales Team und die dortigen Herausforderungen und durchgeführten Aktionen und Projekte vorzustellen. Hier werden beispielsweise regelmäßig verschiedene Gesprächsrunden für Bürger:innen angeboten, stets mit der Bemühung, positive Akzente zu setzen, anstatt vorhandenen Konflikten und Problemen übermäßig Raum zu geben. Außerdem können Bürger:innen durch die Förderprogramme der „Partnerschaften für Demokratie“ öffentliche Gelder für ihre individuellen gemeinnützigen Projektideen beantragen – dies gilt insbesondere auch für junge Menschen in Sebnitz.

Anschließend besichtigten wir mit unseren Gästen die Stadt und besuchten die verschiedenen partizipativen Projekte und Projektpartner der Aktion Zivilcourage e. V. sowie wichtige kommunalpolitische Orte.

Am Ende des Tages wurden wir vom Oberbürgermeister Ronald Kretzschmar im Rathaus empfangen. Er stellte uns die partizipativen Ansätze in seiner Stadt und sein Verständnis von Bürgerbeteiligung vor. Diese Diskussion zwischen dem Bürgermeister und den französischen Teilnehmer:innen war auch die Gelegenheit, die Funktionsweise der Kommunalpolitik und das politische System in Frankreich und in Deutschland/Sachsen zu vergleichen.

Besuch im Dresdner Norden: Das Festspielhaus Hellerau und das Netzwerk Dresden-Nord

Das Festspielhaus HELLERAU war in vielerlei Hinsicht ein wichtiger Ort, den es zu besuchen galt: Neben seiner reichen Geschichte ist das Team des Europäischen Kunstzentrums auf verschiedenen Ebenen an der Umsetzung und/oder Begleitung von partizipativen Prozessen im Stadtteil oder darüber hinaus beteiligt und auch Teil des Netzwerks Dresden-Nord. Die 1909 gegründete Gartenstadt, in der sich das Festspielhaus HELLERAU befindet, ist außerdem ein frühes Beispiel für die Verbindung zwischen Stadtplanung/Wohnung und der Beteiligung der Bewohner:innen.

Sowohl das Festspielhaus als auch das Netzwerk Dresden-Nord – ein Netzwerk von engagierten ehren- und hauptamtlichen Akteur:innen aus dem Norden der Stadt, das sich intensiv um Bürgerbeteiligung bemüht und diese auch von kommunalen und politischen Verantwortungstragenden einfordert – stellten ihre Arbeit, Ansätze und Formate vor. Anschließend führte der Deutsche Werkbund die Gruppe durch die Gartenstadt.

Am Abend waren wir vom Netzwerk Dresden-Nord zu einem gemeinsamen Grillabend eingeladen – eine erneute Gelegenheit für die deutschen und französischen Teilnehmenden, sich im lockeren Rahmen über ihr Engagement austauschen, die auch lange und intensiv genutzt wurde.

Pirna: Gespräch mit dem Oberbürgermeister und gemeinsamer Workshop

Am dritten Tag empfing uns der Oberbürgermeister der Stadt Pirna, Klaus-Peter Hanke, und führte uns durch das Rathaus. In einem anschließenden Gespräch erläuterte er, wie der seit kurzem eingerichtete Bürgerrat in Pirna funktioniert und was Partizipation für ihn bedeutet.

Danach kamen weitere deutsche Teilnehmer:innen aus ganz Sachsen für eine Workshopsphase hinzu. Die Gruppe bekam einen Einblick in die Arbeit des Kompetenzzentrums Krisen–Dialog–Zukunft der Aktion Zivilcourage e. V. Insbesondere wurde die Beratung und Begleitung von Kommunen bei partizipativen Prozessen in Sachsen und die Schulung für Moderator:innen vorgestellt sowie die Ansätze der Therapie Sociale. Es folgte ein Austausch zwischen den deutschen und französischen Teilnehmenden über die derzeitige politische und gesellschaftliche Situation in Sachsen und Okzitanien, nicht zuletzt auch im Hinblick auf Bedrohungslagen für Behörden und zivilgesellschaftliche Akteur:innen und den jeweiligen Umgang mit solchen Situationen.

Der Nachmittag ging mit angeregten Gesprächen zu den unterschiedlichsten Aspekten der Partizipation auf lokaler Ebene weiter. Es wurde sowohl über verschiedene Dialogformate und deren Ziele als auch über verschiedene Wege für die Gründung und Aufrechterhaltung von Netzwerken zur Stärkung der Demokratie und Förderung des lokalen Engagements diskutiert.

Video: „Was bedeutet für mich Partizipation?“

Zum Abschluss wurde am Abend noch ein kleines Video gedreht. Im Zentrum stand die Frage, was Partizipation für die Teilnehmenden des Austauschs bedeutet. Das Video wird derzeit geschnitten und übersetzt und soll anschließend veröffentlicht werden.

Perspektiven                  

Ein Gegenbesuch von deutschen Teilnehmenden ist für das Jahr 2024 vorgesehen. Hierbei sollen die deutschen Teilnehmenden Einblicke in konkrete französische Projekte bekommen und sich weiter über Beteiligungs- und Dialogformate austauschen.

Der Kontakt zwischen den Teilnehmenden soll jedoch auch zwischen den Besuchen gehalten werden – Online-Treffen und -Workshops sind geplant.

Wenn Sie Interesse daran haben, dabei zu sein, wenden Sie sich gerne jederzeit an uns! Französischkenntnisse sind nicht unbedingt notwendig, es sind stets Übersetzer:innen anwesend.

Der deutsch-französische Austausch ist ein Kooperationsprojekt von Europa direkt e. V., Atout Diversité, der Fédération rurale des foyers ruraux 66 und der Aktion Zivilcourage e. V. und wurde vom Deutsch-Französischen Bürgerfonds und von der Heinrich-Böll-Stiftung Paris gefördert.

Frag uns

Madeleine de Saulce

Referentin